Spiegel.de berichtet prominent über Affiliate-Betrug
Günther Giani 5 KommentareDer Spiegel-Online-Redakteur Frank Patalong hat sich im April 2012 mit einem Artikel über unseriöse Machenschaften in der Affiliate-Branche prominent auf die Startseite von Spiegel.de geschrieben. In seinem in der Rubrik 'Internetkriminalität' veröffentlichten Beitrag 'Affiliate-Betrug: Tricksereien im Schmuddel-Web' thematisiert er im Wesentlichen drei Punkte mit Fehler- und somit leider auch Betrugspotential: Intransparenz, PostView-Tracking und herkömmliches Cookie-Dropping.
Im Prinzip ist Frank Patalog der Meinung, dass „Affiliate-Marketing eine gute Methode für Werbende ist, relativ preiswert sehr viele potentielle Kunden auch auf kleinen Web-Seiten zu erreichen. [...] Das ist ein gutes Modell, wenn alle Beteiligten sauber arbeiten“. Mit dieser niedergeschriebenen Erkenntnis hat Herr Patalog erstmal vollkommen Recht. Leider wird der Affiliate-Kanal im gesamten Kontext seiner Recherchen aber irrtümlicherweise in die Ecke 'Affiliate-ist-Abzocke-und-Cookies-sind-Schadsoftware' gedrängt, wenngleich er mit dem, was er schreibt, teilweise gar nicht so verkehrt liegt: Es gibt tatsächlich Unternehmen und Webseitenbetreiber, die mit ihren dubiosen Techniken und durchtriebenen Machenschaften aus rücksichtsloser Profitgeilheit kräftig an dem Ast sägen, auf dem eine ganze Branche sitzt. Es ist in der Tat auch die Regel, dass sowohl einige Affiliate-Netzwerke als auch Agenturen wohlwissend und bewusst dubiose und dennoch groß angelegte Kampagnen durchwinken und auch initiieren. Eben nach dem Motto: „Selbst an Betrugsmaschen beteiligten [...] oder ignorieren und mitverdienen.“
Bei der Erkenntnis, dass Affiliates „Provisionen für gezeigte Werbung oder für Verkaufsvorgänge kassieren, die auf das Zeigen einer Werbung folgen und durch Cookie-Dateien dokumentiert werden“ , wird das Kind seltsamerweise nicht beim Namen genannt. In vier ganzen Absätzen wird das Verfahren des Postview-Trackings beschrieben. Nur der Begriff 'Postview' wird im gesamten Artikel nicht einmal genannt. Ob das daran liegt, dass Spiegel.de höchstselbst Werbeplätze für die Vermarktung von Postview-Anzeigen verkauft, sich aber nicht in die Riege der 'Affiliate-Betrüger' einreihen will, sei dahingestellt. Darüber hinaus ist es ohnehin so, dass die ganze Postview-Geschichte wegen der nicht messbaren Performance streng genommen wenig bis gar nichts mit Affiliate-Marketing zu tun hat und nur Nutznießer dieses Vermarktungskanals ist.
Das Gefährliche daran ist, dass der gesamten Branche dadurch erheblicher Schaden zugeführt wird, der sich unter anderem in solchen Artikeln äußert.
Was bleibt hängen?
Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Zwar liegt der Autor mit dem Grundtenor gar nicht so verkehrt, dennoch wird dem branchenfremden Leser durch falsch interpretierte Fachausdrücke und teilweise nicht gründlich recherchierte 'Tatsachen' folgende Quintessenz auf's Auge gedrückt: Affiliate, Cookies, diese Internet-Werbebranche und das ganze Drumherum ist alles mindestens nur halblegal oder auch halbkriminell - wie man's nimmt.
Was sollte hängen bleiben?
Es wird einmal mehr die alte Diskussion über Ethik im Affiliate-Marketing angestossen und drastisch die Ursachen für das aufgezeigt, was dem Affiliate-Marketing regelmäßig negative Presse beschert: Intransparenz, Pfusch im Tracking, Ignoranz und der Verkauf von nicht erbrachter Performace. Ein grundsätzliches Umdenken und Einlenken sollte die logische Konsequenz einer solch negativen aber nicht von ungefähr kommenden Berichterstattung sein. Es ist auf Dauer unsinnig und schädlich, wenn ein ursprünglich klar strukturierter Kanal durch Gimmicks und Plastik-Spielereien verseucht wird.
Im Grunde wäre es so einfach: Zurück zum klaren View-Click-Conversion-Stream, der genau so, gemeinsam von Affiliates, Netzwerken und meinetwegen auch Agenturen, transparent abgebildet werden kann - ohne Sportlenkrad, Alufelgen und dickem Auspuff. Einfach nur Affiliate-Marketing.
5 Kommentare
zu Spiegel.de berichtet prominent über Affiliate-Betrug
Danke für Deinen Beitrag, Sascha. Ich bin bewusst nicht auf die iFrame-Sache eingegangen, da auch ich denke, dass das ein alter Hut ist und eigentlich nicht mehr im großen Stil vorkommt. Zumindest dann nicht, wenn über ein Netzwerk getrackt wird. Die 'Jeder-siebente-Euro-Theorie' kann ich mir schon vorstellen. Es ist natürlich nicht leicht, das tatsächlich zu verifizieren oder eine annähernd genaue Zahl zu bekommen.
Eine große Herausforderung des Affiliate-Marketing sehe ich aber tatsächlich in der Wiedergutmachung seines Rufes. Die Reichweite von Spiegel-Online sollte bekannt sein und das Thema war gestern auf der Startseite. Was meinst Du, wie jetzt der Konsens der Leser dieses Artikels ist (und das werden nicht wenige sein), wenn es um Affiliate-Marketing geht? Das ist schon problematisch, da solche Artikel ja auch bei Eintscheidern großer Brands aufschlagen, die sich ggf. früher oder später für oder gegen Affiliate-Marketing entscheiden müssen. Welche Herausforderungen siehst Du denn hauptsächlich?
Ich denke, wir sehen die Herausforderungen in einem ähnlichen Bereich. Der Spiegelartikel zeigt, dass sich die Meinung manifestiert hat, die Affiliate-Branche müsste die Vielzahl an schwarzen Schafen endlich eliminieren. Scheinbar gibt es die Vorstellung, dass die Branche diese sogar tolerieren würde, solange jeder daran verdienen kann. Für mich kann ich diese Toleranz ausschließen. In der Kommunikation liegt die Herausforderung. Unterscheidet sich die Vermarktung auf CPO denn so Grundlegend von CPC-Kampagnen über Displayvermarkter oder Retargetinganbieter. Großteils findet die Auslieferung in den selben Umfeldern statt (siehe Spiegel Online). Transparenz ist in den Blind Networks der Retargetinganbieter und Restplatzvermarkter auch nicht gegeben.
Ob für die Daseinsberechtigung des Affiliate Marketings ein Festhalten am klaren View-Click-Conversion-Stream notwendig ist, wird sich zeigen. Die klare Abbildung des Conversionstreams ist Aufgabe des Advertisers, der darauf seine Entscheidungen aufbauen und entsprechend vergüten sollte. Aber das führt in einem Kommentar etwas zu weit ;-)
So, Günther - dann also hier im World Wide Web. Da merkt man wieder, was für einen Paradigmenwechsel Facebook verursacht hat :). Die Wahrheit liegt, wie immer, in der Mitte. Für die Marke "DER SPIEGEL" ist der Artikel kein Ruhmesblatt, allerdings darf man beim notwendigen Know-how des Redakteurs auch keine zu strengen Maßstäbe anlegen. Ob jetzt richtig beschrieben oder nicht, die Angriffsfläche für negative Artikel ist da das muss sich die Branche mit ihren Vertretern an die eigene Nase fassen. Ich habe keinen Bock auf eine Branche mit einem Image zwischen Rotlicht und Berufspolitikern, daher muss das Problem so gut es geht eingedämmt werden, auch wenn das in Einzelfällen mal kurzfristige Umsätze kostet (egal, welche Partei). Sonst gibt es irgendwann nämlich gar keine Umsätze mehr. Es gibt nur die eine Möglichkeit, der andere Weg ist eine Sackgasse.
Und Günther... Fein, Du hast keine Abgrenzung zwischen Re-Targeting, Postview auf der einen und Affiliate Marketing auf der anderen Seite vorgenommen. Ich fand es bei dem entsprechenden Post auf Facebook etwas schade, dass der Autor den Spiegel-Artikel noch kurz für eigene Zwecke instrumentalisiert hat ;)
Über die Betrugsmasche bei Affiliate Marketing habe ich schon einige Artikel auf anderen Blogs oder Foren gelesen. Das hier vereinzelt nicht alles mit rechten Ding zu geht, kann schon stimmen, aber durch so einen Bericht, wird ja ein ganzes Geschäftsmodell schlecht gemacht. Dies ist nicht in Ordnung. Aber man muss einiges tun, sonst ist der Schaden riesengroß.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schmethüsen
vor 12 Jahren
Natürlich hat Frank Patalong mit den Thesen in seinem Artikel recht. Über Intransparenz, Sinn oder Unsinn von PostView-Tracking sowie Cookie-Dropping diskutieren wir aber bereits seit Jahren. Mit zunehmender Professionalität der Branche werden diese Negativ-Faktoren an Gewicht verlieren. Dass jeder siebte Euro im Affiliate-Kanal durch Fraud verdient wird, halte ich für genauso weit hergeholt wie Cookiedropping mittels IFrames. Ich denke, dass Affiliate-Marketing vor ganz anderen Herausforderungen steht.